Von 2015 bis 2018 bearbeiten in der Historischen Forschungsstelle des IRS Erkner vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Leitung von PD Dr. Christoph Bernhardt das Projekt Konfliktfeld »autogerechte Stadt«. Innerstädtische Freiraumgestaltung als Urbanisierungsstrategie seit 1945 in Ost und West. Ein Baustein des Projekts ist eine Datenbank zu Aus-, Um- und Rückbauprozessen städtischer Freiräume und paradigmatischer Bauten.
Die Entwicklung europäischer Städte nach 1945 wurde entscheidend von den Raumansprüchen des Automobilverkehrs und den damit verbundenen Mobilitätsmustern bestimmt. Dabei kam es zu einer widersprüchlichen Entwicklung: Während das planerische Leitbild der „autogerechten Stadt“ spätestens seit den 1970er Jahren zunehmend an Wirkungskraft verlor, nahmen Mobilität und insbesondere der städtische Autoverkehr vielerorts weiterhin zu. Das Spannungsverhältnis zwischen manchen Planungskonzepten und den teilweise entgegengesetzten Vorstellungen verschiedener Interessen- und Bevölkerungsgruppen führt bis heute periodisch zu massiven Konflikten. Zugleich ist vielfach die Ausbildung polarisierter Raumtypen – verkehrsarmer und hoch belasteter Gebiete – zu beobachten.
Das Leitprojekt untersucht in mehreren Fallstudien zentrale, bisher nicht erforschte Widersprüche innerhalb dieser Entwicklung in historischer Perspektive. So ist etwa die Tatsache, dass für die DDR und damit in der Folge auch für Ostdeutschland kaum von einem Leitbild der „autogerechten Stadt“ gesprochen werden kann, bisher noch nicht erforscht. Auch kam es in west- wie in ostdeutschen Städten zu zahlreichen Aus- und Rückbauprojekten pro und contra Autoverkehr, die oft gleichzeitig und funktional gegenläufig zueinander stattfanden. Diese Projekte waren von entscheidender Bedeutung für die urbanen Qualitäten und die Multifunktionalität der betroffenen städtischen Teilräume, denen das besondere Interesse des Leitprojektes gilt. Die teilweise Rückgewinnung städtischer Freiräume seit den 1970er Jahren wird in dem Projekt auch als Seismograph für grundlegende Wandlungsprozesse der Stadtgesellschaft betrachtet. Zentrale Analyseperspektiven betreffen die Rolle kommunaler Akteure, Planer und der Öffentlichkeit, die Überformung des Gebäudebestands durch Ausbauprojekte von Straßen sowie den Zusammenhang zwischen Autoverkehr und städtischer Freiraumgestaltung.