DDR-PLANUNGSGESCHICHTE
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Architektur als Instrument der Außenpolitik
Unterlagen zur Ausstellung „Bauen in der DDR“ in Paris 1988

Fund des Monats (Nr. 11 vom März 2021)

von Daniel Hadwiger, IRS Erkner

 

Im Januar 1988 wurden in Paris farbige Luftballons aus der DDR an Kinder verteilt. Bedruckt mit der Aufschrift „Bâtir en RDA“ (Bauen in der DDR) sollten die Luftballons Werbung für eine Ausstellung im DDR-Kulturzentrum in Paris machen. Auf drei Etagen wurden dort die sozialen, technischen und historischen Werte des DDR-Bauwesens präsentiert. Die Ausstellung war eine der ersten öffentlichen Präsentationen zum DDR-Bauwesen im „Westen“ und Teil der Annäherungspolitik in den späten 1980er Jahren. So war insbesondere der Staatsbesuch von Erich Honecker bei François Mitterand in Paris im Januar 1988 ein Zeichen für die wiederaufgenommene Kontaktaufnahme zwischen Frankreich und der DDR.

Unterlagen in den Wissenschaftlichen Sammlungen des IRS zur Pariser Ausstellung 1988 vermitteln ein Bild von der Selbstdarstellung der DDR im „Westen“. Sie zeigen aber auch, wie am Ende der DDR neue Beziehungen zu Frankreich begannen.

Die Ausstellung „Bauen in der DDR“ (Bâtir en RDA) fand vom 13. Januar bis zum 10. Februar 1988 im Kulturzentrum der DDR in Paris statt. Rund 70 Tafeln, sechs Gebäudemodelle und mehrere Videos informierten in französischer Sprache über den sozialen Wohnungsbau oder wichtige Bauten der Kultur in der DDR [1]. Das Ausstellungsplakat (Abbildung 1) zeigt zugleich die inhaltliche Ausrichtung: mit Blick gen Westen sollte mit dem Fernsehturm, gehobenen Wohnbauten und dem wieder aufgebauten Nikolaiviertel in Ost-Berlin die Vielfalt von historischen und modernen Bauten in der DDR aufgezeigt werden. Die Ausstellung verfolgte daher zwei Ziele: ein Bild der vielfältigen Bauten der DDR dem „Westen“ vorzustellen und die DDR als technischen Pionier in der Konstruktion von neuen Industrie- und Wohnbauten sowie der Sanierung von Altbaubestand zu präsentieren.

 


Abbildung 1: Ausstellungsplakat (1988)
(IRS Erkner, Wissenschaftliche Sammlungen, A_2_2_27_24)

 

Annäherung durch Kultur: das Kulturzentrum der DDR in Paris
 
Die Beziehungen zwischen der DDR und Frankreich waren lange von gegenseitiger Unkenntnis, Misstrauen und dem schwierigen Dreieckverhältnis Frankreich-Bundesrepublik-Deutsche Demokratische Republik geprägt. Ab den 1970er Jahren begann eine gewisse Öffnungspolitik, die sich im politischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt kulturellen Bereich niederschlug.

Erst 1973 hatte Frankreich die DDR nach Abschluss des Grundlagenvertrags zwischen der BRD und der DDR staatsrechtlich anerkannt. In Folge eines Konsular- und Kulturabkommens wurde 1984 ein französisches Kulturzentrum in Berlin Unter den Linden eröffnet. 1983 war im Gegenzug in Paris ein Kulturzentrum der DDR in einem prunkvollen Gebäude des Architekten Charles Garnier (1825–1898) im beliebten Quartier Latin in 117 Boulevard Saint-Germain eingerichtet worden. Neben Lesungen von Autoren aus der DDR wie Christa Wolf, Sprachkursen und Filmvorführungen fanden dort auch Ausstellungen zur Fotografie oder den Regionen der DDR statt.

Die Ausstellung „Bauen in der DDR“ reihte sich in die zweite Phase der Kulturpolitik des Instituts ein. Hatte es in den Anfangsjahren einen Schwerpunkt auf kommunistischen und antifaschistischen Themen gegeben, so kam es in den letzten Jahren zunehmend zu einer Erweiterung des Themenspektrums. Auch die Ausstellung „Bauen in der DDR“ legte zwar einen Schwerpunkt auf die Errungenschaften des Sozialismus mit dem sozialen Wohnungsbau. Doch konzentrierte sich ein Großteil der Ausstellung und der begleitenden Vorträge auf technische Errungenschaften oder den Erhalt historischer Gebäude.

 

Vorbereitung und Aufbau der Ausstellung „Bauen in der DDR“
 
Im Februar 1987 beschloss das Präsidium des Bunds der Architekten der DDR in Absprache mit dem Ministerium für Bauwesen eine Ausstellung zum Thema „Bauen in der DDR“ zu konzipieren. Die Leitung des „Arbeitsstabs Ausstellung Paris“ unterstand dem Architekten Dr. Peter Andrä (geb. 1936) vom Institut für Städtebau und Architektur (ISA) der Bauakademie der DDR. Die Ausstellung sollte im DDR-Kulturzentrum in Paris gezeigt werden. Mitarbeiter des ISA vermerkten im Entwurfskonzept zur Ausstellung, dass entsprechend „den Erfahrungen mit bisherigen Auslandsausstellungen […] 6 Hauptkomplexe sowie ein Vor- und ein Nachspann vorgesehen“ [2] seien. Die hier angesprochenen bisherigen Erfahrungen mit Ausstellungen im Ausland beschränkten sich auf die sozialistischen Länder. Doch auch sonst stellte die ambitionierte Ausstellung „Bauen in der DDR“ das DDR-Kulturinstitut in Paris vor Herausforderungen. Anstatt lediglich in den üblichen Ausstellungsräumen im Untergeschoss sollte sich die Ausstellung auf alle drei Etagen erstrecken. Ein Modell der Semperoper in Dresden sollte im zweiten Stock „mit Effektlicht ausgeleuchtet werden“ [3] und ein Panoramafoto vom Stadtzentrum Berlins empfing die Besucher im Treppenhaus auf dem ersten Stock.

Die Ausstellung war in sechs Abschnitte unterteilt: Wohnungsbau, Industriebau, Städtebauliche Ensembles, Bauten der Kultur, Bauakademie der DDR sowie Sport- und Freizeitbauten. Ein Rahmenprogramm mit Abendvorträgen zu technischen Innovationen, zum Denkmalschutz, zum Einfluss der französischen Revolution auf die deutsche Architektur oder zur Rekonstruktion historischer Gebäude in der DDR sollte weitere Einblicke gewähren.

 

Eröffnung der Ausstellung in Paris
 
Zur Eröffnung im DDR-Kulturzentrum am 13. Januar 1988 waren neben Vertreter*innen der französischen Ministerien für Ausrüstung, Wohnung, Raumplanung und Verkehr auch solche des Bauforschungszentrums CSTB, des Hochschulwesens, des Kulturbetriebs und von Bau- und Maschinenbauunternehmen eingeladen. Der Präsident der Bauakademie der DDR, Prof. Hans Fritsche (geb. 1929) eröffnete die Ausstellung mit dem Wunsch, „freundschaftliche Beziehungen zwischen allen am Bau beteiligten Menschen unsere Länder herbeizuführen“ [4]. Die Ausstellung sei Gelegenheit, die Zusammenarbeit zwischen Bauunternehmen und Bauforschungsreinrichtungen der DDR und Frankreichs zu vertiefen. Seit den 1970er Jahren seien bereits 50 französische Unternehmen an Vorhaben in der DDR beteiligt gewesen. Unverkennbar war die Ausstellung nicht zuletzt ein Anlass, um den mangelnden wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Austausch zwischen beiden Ländern zu fördern. Fritsche selbst traf sich im Anschluss zu Gesprächen mit Dr. Pierre Chemiller vom französischen Bauforschungszentrum und mit Vertretern der Unternehmen Gobain und Potain.

 

Inszenierung
 
Die Ausstellung „Bauen in der DDR“ zeigte laut einem Bericht im Neuen Deutschland vor allem die Wohnungsfrage als soziales Problem auf, welches die DDR durch moderne Verfahren in Industrie und die Verbindung von Neubau und Altbausanierung löse [5]. In den visuellen Darstellungen zur Ausstellung waren jedoch in der Masse weit typischere Wohnbauprojekte in Plattenbauweise wie in der Leipziger Straße in Berlin seltener vertreten. Vielmehr wurden gehobenere Wohn- und Geschäftsbauprojekte wie das sanierte Holländische Viertel in Potsdam oder der Universitätsplatz in Rostock (mit sanierten alten sowie historisch anmutenden neuen Gebäuden) gezeigt. Die Ausstellung zeigte vor allem (rekonstruierte) historische Baubestände, wichtige Sehenswürdigkeiten und Kulturstätten oder technische Meisterleistungen wie den Bau des Kernkraftwerks in Greifswald. Als wirtschaftliches, kulturelles und touristisches „Schaufenster“ in Frankreich sollte es das Interesse der Franzosen an der DDR wecken. Zugleich wurde die jahrhundertelange Verbindung zwischen Frankreich und Ostdeutschland, insbesondere zu Berlin, hervorgehoben. So habe die Französische Revolution wichtige Impulse für die Gründung der „Königlichen Bauakademie zu Berlin“ 1799 gegeben.

 

Der Anfang eines Austauschs am Ende der DDR?
 
Die Ausstellung „Bauen in der DDR“ im Januar 1988 in Paris war Teil einer partiellen Öffnungspolitik der DDR in den 1980er Jahren, die nicht allein auf Frankreich beschränkt war. So fand fast zeitgleich im Februar 1988 die Ausstellung „Bauen in historischen Städten der DDR“ in London im Haus der „Royal Institute of British Architects“ statt [6]. Zugleich war die Pariser Ausstellung der Auftakt zu mehreren weiteren Projekten: im Sommer 1988 plante das ISA eine Ausstellung zur Architektur von Karl Friedrich Schinkel in Paris im Hôtel Sully. Auch bereitete man im September 1988 ein Symposium zum Thema „Bauhaus und Le Corbusier“ vor, das ebenfalls im DDR-Kulturzentrum in Paris stattfinden sollte und Referenten aus Frankreich (Prof. Claude Schnaidt [1931–2007]) und der DDR (Prof. Bernd Grönwald [1942–1991], Prof. Achim Felz [geb. 1933]) zusammenbringen sollte [7]. Auf politischer Ebene war nach der Ausstellung „Bauen in der DDR“ vereinbart worden, das Gebiet des Städtebaus und der Architektur neu in die Gespräche der Gemischten Kommission Frankreich/DDR miteinzubeziehen. So fragte im April 1988 die französische Architektin Anne-Marie Loeillet beim ISA an, ob sie einen Weiterbildungsaufenthalt in der DDR organisieren könne. Ihr Wunsch sei es, „die Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Frankreich auf dem Gebiet des Städtebaus und der Architektur“ zu intensivieren [8]. So war die Pariser Ausstellung „Bauen in der DDR“ ein wichtiger Impulsgeber für zahlreiche weitere Projekte und regte nicht zuletzt den wissenschaftlichen Austausch an [9]. Die Ausstellung stellt jedoch auch grundsätzlich die Frage nach den Spezifika und den Gründen des Austauschs zwischen der DDR und Frankreich in den späten 1980er Jahren.

 

    
    
Abbildung 2: Rückseite des Ausstellungsplakats (1988)
(IRS Erkner, Wissenschaftliche Sammlungen, A_2_2_27_24)

 

Anmerkungen

[1] Vgl. Gebäude-Modell mit der Aufschrift „Maison de théâtre/Schauspielhaus, Place de l’Académie“ zu Berlin, ca. 1988. IRS Erkner, Wissenschaftliche Sammlungen, Bestand E_5 (Modelle, Schauspielhaus Berlin).

[2] Entwurfsskizze „Städtebau und Architektur in der DDR, Ausstellung im Kulturzentrum der DDR-Paris“, undatiert, im Nachlass von Martin Wimmer (1928–2015). IRS Erkner, Wissenschaftliche Sammlungen, C_29 (K4). Im Wimmer-Bestand finden sich zahlreiche Planungen und Skizzen zu Ausstellungen und Konferenzen im Ausland.

[3] Andrä, Peter: Festlegungsprotokoll Arbeitsstab Ausstellung Paris, 20. Juli 1987, S. 3. IRS Erkner, Wissenschaftliche Sammlungen, A 1_17_53.

[4] Ausstellung „Bauen in der DDR“ in Paris. Aus der Eröffnungsansprache des Präsidenten der Bauakademie der DDR Prof. Dr. sc. techn. Hans Fritsche, in: Architektur der DDR, H. 5/1988, S. 6.

[5] Dümde, Claus: Ausstellung „Bauen in der DDR“ in Paris eröffnet“, in: Neues Deutschland vom 13. Januar 1988.

[6] Architekturausstellung in Großbritannien „Bauen in historischen Städten der DDR“, 1. bis 23. Februar in London, in: Informationsdienst „Städtebau“. Probleme – Ideen –Erfahrungen, Mai 1988. IRS Erkner, Wissenschaftliche Sammlungen, C_29 (K3).

[7] Mitteilung der Botschaft Paris, Kultur, an Genosse Brunner zur Weiterleitung an Bauakademie, 23. Dezember 1988, Abschrift. IRS Erkner, Wissenschaftliche Sammlungen, A_2_2_27.

[8] Schreiben von Prof. Bernd Grönwald an Anne-Marie Loeillet, 28. Juli 1988. IRS Erkner, Wissenschaftliche Sammlungen, A_2_2_27.

[9] Vgl. Andrä, Peter: Pariser Bauten. Zum 200. Jahrestag der Französischen Revolution in: Architektur der DDR, H. 7/1989, S. 45–51; Kadatz, Hans Joachim: Einflüsse der französischen Revolution auf deutsche Architekten des 18. und 19. Jahrhunderts, in: ebd., S. 34–39; Schädlich, Christian: 100 Jahre Eiffelturm, in: ebd., S. 43–45.

 

Literatur

Cimaz, Geneviève: Le centre culturel de la RDA à Paris, in: Pfeil, Ulrich (Hg.): La RDA et l’Occident (1949–1990), Paris 2000, S. 112–120, auch online unter http://books.openedition.org/psn/5990 (15. März 2021)

Pfeil, Ulrich: Die „anderen“ deutsch-französischen Beziehungen. Die DDR und Frankreich 1949–1990, Köln 2004

Röseberg, Dorothee: Frankreich und „das andere Deutschland“. Analysen und Zeitzeugnisse, Tübingen 1999