Anfang der 1960er Jahre schien es gerechtfertigt, auf gewisse Reformen im DDR-Bauwesen zu hoffen, u.a. da 1963 mit dem noch jungen Wolfgang Junker ein neuer Bauminister berufen wurde. Dieser lud bereits im Monat seines Amtsantritts Architekten und Stadtplaner zu einem niederschwelligen Austausch ein, der am 20. Februar 1963 stattfand, bedeutungsvollerweise im Restaurant des erst 1960/61 neu errichteten, modernistischen Müggelturms in Berlin-Köpenick. In dem Gespräch wurde, auch von Seiten des Ministers, vergleichsweise offen über Probleme und notwendig erscheinende Veränderungen im Bauwesen und die wichtige Rolle insbesondere der jüngeren Architekten gesprochen.
Bruno Flierl als Chefredakteur der wichtigsten DDR-Fachzeitschrift Deutsche Architektur sah sich ermuntert, seine Mitschrift des »Müggelturmgesprächs« in Auszügen zu dokumentieren, wobei er den Schwerpunkt auf kritische Passagen legte. Die im Märzheft 1963 der Deutschen Architektur erschienene, mit Junker nicht abgestimmte Dokumentation rief jedoch erheblichen Unmut bei Staats- und Parteifunktionären hervor, und es wurde angeordnet, aus den noch nicht ausgelieferten Exemplaren des Hefts die entsprechende Seite herauszutrennen. Nicht viel später verlor Flierl wegen dieser und anderer Eigenmächtigkeiten seinen Posten als Chefredakteur.
Der Vorfall weist gewisse Parallelen auf zum Skandal um ein Themenheft von form+zweck zur innerstädtischen Rekonstruktion im Jahr 1983.
Junge Architekten diskutieren mit dem Minister für Bauwesen [Dokumentation von Bruno Flierl], in: Deutsche Architektur, H. 3/1963, S. 132 |
Bruno Flierls Mitschrift des »Müggelturmgesprächs« (IRS, Wiss. Samml., C_5_14) |